Wahlleistungsvereinbarung Chefarztbehandlung – Chefarzt operiert aber nicht

Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) bestätigt in seinem Urteil vom 19.07.2016 (VI ZR 75/15), dass die mit einer Klinik geschlossene besondere Vereinbarung über eine Behandlung durch den Chefarzt für die Behandlung des Patienten bindend ist.

Erklärt ein Patient in Ausübung seines Selbstbestimmungsrechts, er wolle sich nur von einem bestimmten Chefarzt operieren lassen, so darf kein anderer Arzt den Eingriff durchführen, wenn sich die Parteien nicht im Vorfeld auf einen bestimmten Stellvertreter verständigt haben. Operiert gleichwohl ein anderer Arzt, ist der Eingriff rechtswidrig. Die Behandlungsseite kann sich in diesem Fall auch nicht mit der Argumentation entlasten, dass der Eingriff bei Ausführung durch den Chefarzt dieselben Folgen gehabt hätte.

Eine Vertretung ist bei wirksamer Stellvertretervereinbarung möglich

Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, dass die Kernleistungen auch durch einen Stellvertreter des Chefarztes ausgeführt werden können. An die Form dieser Vereinbarung werden besondere Voraussetzungen geknüpft.

Voraussetzungen einer formularmäßigen Stellvertretervereinbarung in einer Klausel

Handelt es sich um eine vorformulierte Klausel im Behandlungsvertrag gilt folgendes:

Eine formularmäßige Klausel, dass „im Verhinderungsfall“ die Aufgaben des Chefarztes „seine Stellvertretung“ übernimmt, reicht nach Auffassung des III. Zivilsenats des BGH nicht aus (vgl. Urteil vom 20.12.2007, III ZR 144/07). Diese Klausel erfasse auch die Konstellationen, in denen die Verhinderung des Wahlarztes bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung „Chefarztbehandlung“ feststehe. Die von dem Patienten mit dem Abschluss einer solchen Vereinbarung bezweckte Sicherung der besonderen Erfahrung und der herausgehobenen Sachkunde des Wahlarztes für die Heilbehandlung sei dann bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses objektiv unmöglich.

Zulässig ist nur eine Klausel, in der der Eintritt des Stellvertreters auf die Fälle beschränkt ist, in denen die Verhinderung des Chefarztes im Zeitpunkt des Abschlusses der Wahlleistungsvereinbarung nicht bereits feststeht, etwa weil die Verhinderung (Krankheit, Urlaub, Hinzuziehen zu Not-Operation etc.) selbst noch nicht absehbar oder bekannt ist.

Als Vertreter darf nur der sog. „ständige ärztliche Vertreter“ (§§ 4, 5 Gebührenordnung der Ärzte (GOÄ)) bestimmt sein. Dieser Vertreter muss dem Chefarzt in gebührenrechtlicher Hinsicht „angenähert“ sein, weil er nach Dienststellung und medizinischer Kompetenz kontinuierlich in engem fachlichen Kontakt mit dem Chefarzt steht. Und der Vertreter muss in der Klausel namentlich benannt sein.

Voraussetzungen für eine individuelle Stellvertretervereinbarung

Die Parteien können auch individuell eine Stellvertretervereinbarung fixieren; dies muss schriftlich erfolgen. Da sich der Patient aber oftmals in einer bedrängenden Situation einer schweren Sorge um seine Gesundheit oder gar sein Überleben befindet, bestehen ihm gegenüber vor Abschluss einer solchen Vereinbarung besondere Aufklärungspflichten:

Der Patient ist so früh wie möglich über die Verhinderung des Chefarztes zu unterrichten und ihm das Angebot eines Stellvertreters zu unterbreiten. Soll die Vertretervereinbarung im unmittelbaren Zusammenhang mit der Wahlleistungsvereinbarung getroffen werden, so ist der Patient auf diese gesondert ausdrücklich hinzuweisen. Der Patient ist auch über die Option zu unterrichten, auf die Inanspruchnahme wahlärztlicher Leistungen zu verzichten und sich ohne Zuzahlung von dem jeweils diensthabenden Arzt behandeln zu lassen.

Eine Individualabrede kann sogar in einem vorformulierten Vertragstext „versteckt“ sein.  Der BGH nimmt deren Wirksamkeit an, wenn die vorformulierte Vertragsbedingung „ausgehandelt“ worden ist, beispielweise wenn sie der Verwender als eine von mehreren Alternativen anbietet, zwischen denen der Patient die Wahl hat. Erforderlich ist, dass der Patient durch die Auswahlmöglichkeit den Gehalt der Regelung mitgestalten kann und die Wahlfreiheit nicht durch Einflussnahme des Verwenders, sei es durch die Gestaltung des Formulars, sei es „in anderer Wiese überlagert“ wird. Letztere Voraussetzungen sind juristische Auslegungsfragen.

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